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Die Heyl-Piano-Fabrikation
Ein Familienunternehmen im 19. Jahrhundert
 


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1874 in Borna
Fotokopie von PK "75. Firmenjubiläum" von 1903; erhalten von
Thomas Bergner,, Borna
 

Fast vergessen waren sie, die Brüder Heyl mit ihrer so großartigen Fähigkeit stimmige Tasteninstrumente herzustellen. Ich selbst wurde aufmerksam durch meine eigene Familienforschung, die mich in diese musikalische und handwerkliche Familie führte. Mit etwas Stolz darf ich verkünden, dass mein 4. Urgroßvater Johann Gottlieb Heyl den Grundstein zu diesen Handwerk in die Familien legte. Genau aus diesem Grunde blicke ich mit etwas Wehmut und Traurigkeit auf meinen eigenen Klavierunterricht zurück, den ich leider nicht konsequent verfolgte und das noch, ohne damals die genauen familiären Hintergründe zu kennen, auf einen Heyl-Klavier beim Musiklehrer. Ich möchte nicht wissen, was meine Vorfahren dazu sagen würden. 
Johann Gottlieb Heyl, geboren in Rüben bei Borna und seine Ehefrau Johanne Christine Zieck, Tochter eines Gärtners aus Mölbis bei Borna, hatten sieben Söhne und eine Tochter. Dem Vater Johann Gottlieb wurde die Musikalität und die handwerklichen Fähigkeiten in die Wiege gelegt. Tafelklaviere waren im 19. Jahrhundert sehr beliebt. Berühmte Musiker wie Clara und Robert Schumann, Franz Schubert; Richard Wagner und einige mehr, spielten und komponierten ihre Werke auf Tafelklavieren. Diese Modeerscheinung brachte vermutlich Gottlieb Heyl zur Idee erste Tasteninstrumente zu fertigen. 

Sein ältester Sohn Johann Gottlob (*1802) wurde später der Firmengründer der "Heyl'schen-Clavier-Fabrikation". Dazu mehr in Folge. 
Der drittgeborene Sohn (*1806), Johann Friedrich, (mein 3. Urgroßvater) wurde Schuhmachermeister, verzog mit seiner Familie um 1859 nach Annaberg ins Erzgebirge, wo er später als Klavierstimmer seine Groschen verdiente. Auch in dieser Familie blieb die Musikalität nicht aus. Sein jüngerer Sohn William Heyl arbeitete in der Bergstadt als Musikus und ein weiterer Sohn Carl Robert absolvierte seine Lehre bei seinem Onkel Gottlob in Borna als Instrumentenfertiger. Weitere Familienmitglieder können Sie über meinen
Stammbaum kennenlernen.

Zurück zu Johann Gottlob Heyl:
Dank umfangreicher  Aufzeichnungen in einer alten Ortschronik von 1886 zu Borna (Wolframsche Chronik) sind viele interessante Informationen zur Firmengeschichte erhalten geblieben. Ich könnte sie nicht besser zu "Papier" bringen. Auch die alte Schreibform macht den Inhalt noch interessanter. So werde ich den Text aus diesem Zeitzeugen zitieren:

Zitatbeginn:
"Gottlob Heyl’s Pianofortefabrik.

Gegen Ende des vorigen Jahrhunderts ließ sich in Borna in der Brauhausgasse im Schubert’schen Hause (weggerissen zu Beschaffung von Baugrund für die Gödel’schen Häuser) der Instrumentenmacher Joh. Gottlieb Heyl, geb. 1770 in Rüben, nieder, gab aber diese Wohnung bald auf und miethete sich in Nr. 244 der Roßmarschen Straße ein. Er baute einfache Claviere, von welchen das Stück 16 bis

18, höchstens 20 Thlr. kostete. Sein Erwerb war nur gering. 1811 erstand er für 350 Thlr. das Haus des Zeugmachers Gotthardt Simon im „Entenpfuhl" (Brühl) Nr. 158, von welchem aus sich die jetzige Fabrik entwickelte. Heyl’s Gattin, eine Tochter des Gärtners Ziet (Anmerkung: oder die Zieckin lt. Kirchenbuchabschriften) zu Mölbis, schenkte ihm sieben Söhne und eine Tochter. Den ältesten dieser Söhne , Gottlob, nahm er 1815 als Lehrling in sein Geschäft, und in ihm erzog er sich einen wackern Gehilfen. Später traten auch noch drei andre Söhne beim Vater ein. Die Heyl’schen Claviere fanden Aufnahme; einzelne derselben gingen selbst nach entferntesten Orten, z. B. nach Altenburg, Waldenburg, Eilenburg usw. ab. Nach näher gelegenen Ortschaften führten die Söhne die neuen Instrumente den Bestellern in der Regel auf Schubkarren zu. War auch der Absatz stärker geworden, so sicherte doch der Gewinn dem rührigen Vater und seinen Söhnen noch kein genügendes Auskommen. Dies veranlaßte die Brüder, die alle musikalisch waren, einen Nebenerwerb zu suchen, weshalb sie sich Musikchören anschlossen und von diesen einen Antheil ihrer Einnahmen empfingen. Besonders Gottlob Heyl zeichnete sich als geübter Baßgeiger aus, als welcher er bei Kirchen-, Concert- und Tanzmusiken eifrig mitwirkte. Der Vater, Gottlieb H., starb 1828. Er hatte kurz vorher sein Haus und Geschäft seinem nur genannten ältesten Sohne übergeben, der sich darauf mit Mutter und Geschwistern abfand. Selbständig geworden, strebte nun Gottlob Heyl mit außerordentlichem Fleiße vorwärts.

Er erkannte die Unzulänglichkeit des Clavierbaues und versuchte darum die Herstellung des Pianofortes. Dies gelang ihm. Bald fand er für dergleichen Instrumente größeren Absatz, und seine kleine Werkstätte wollte nicht mehr ausreichen. Er bebaute darum 1832 das hinter seinem Hause gelegene Gärtchen mit Arbeitsräumen und konnte dann in Verbindung mit einigen seiner Brüder in dem neuen Anbaue ungehemmt und rüstig fortarbeiten. Um 1840 hatte er schon mit acht Gehilfen dauernde Beschäftigung; denn seine „tafelförmigen“ Instrumente wurden viel andern Fabrikaten der Art vorgezogen. Immer wieder mußte er auf Erweiterung seiner Fabrik bedacht sein; er kaufte deshalb 1846 ein Stück von dem hinter seinem Anbau gelegenen Reißig’schen Garten an der neuen Pforte und führte noch ein Gebäude mit Arbeitssälen und Comptoir auf. Die damals schon überaus gesteigerte Neigung zum Pianofortespiel steigerte auch das Bedürfnis besserer Instrumente gewaltig, daher Heyl sein Arbeitspersonal noch vermehren mußte, um alle Aufträge genügend auszuführen. Die trefflich gebauten, wohlklingenden und dauerhaften Instrumente Heyls wurden nicht blos in Sachsen, sondern auch in ferneren Ländern Deutschlands, ja über dessen Grenzen hinaus gesucht.

Als um 1850 die Pianinos beliebter wurden, plante auch Gottlob Heyl, dergleichen herzustellen. Dieselben erhöhten den alten Ruf seiner Firma. Hunderte von Pianinos wurden im Laufe der Zeit unter seiner Leitung gefertigt und in die Welt gesendet. Inzwischen waren seine zwei Söhne aus zweiter Ehe, Emil und Gustav, der Kindheit entwachsen, von ihm in die Lehre genommen und nach Vollendung derselben zu ihrer weiteren Ausbildung in die Fremde geschickt worden. Nach drei bis vier Jahren kehrten sie heim, um nun ihrem Vater kräftigst zur Seite zu stehen. Da der Absatz von Instrumenten immer noch wuchs, auch ein größerer Holzablagerungsplatz nöthig ward, kaufte Heyl einen großen Theil des an sein Grundstück anstoßenden Schmalz’schen Gartens und dehnte auf einem Stück desselben den Gebäudecomplex seiner Fabrik durch Errichtung eines neuen zweistöckigen Hauses aus. Dies geschah 1864, in welchem Jahre Heyl außer seinen Söhnen 16 Gehilfen beschäftigte und das 2000ste Instrument fertig stellte. Trotz der hemmenden Kriegsjahre stieg die Zahl der Arbeiter über 20. Nach vieljährigem, unablässigem und gewissenhaftem Wirken und Schaffen fühlte Gottlob Heyl das höhere Alter nahen; er übergab darum 1872 sein Geschäft im Werte von 72 000 M. seinen beiden Söhnen, behielt sich aber die Mitbethätigung nach eigenem Wunsch noch vor.

Kurz vorher hatte er auch noch das ganze mit seinen Gebäuden in enger Verbindung stehende, bis zu den Teichanlagen reichende Schmalz’sche Grundstück käuflich erworben. Als 1873 das 3000ste Instrument fertig geworden war, konnten die Gebrüder Heyl ihre Arbeiter durch Veranstaltung eines Festmahles mit Concert und Ball im Schießhaussaale erfreuen.

Bisher waren alle Arbeiten durch Menschenhände ausgeführt worden; von 1873 an richteten die Brüder zugleich Dampfbetrieb ein, und stellten zu diesem Zwecke eine Bandsäge, Bohrmaschine, Kreissäge, Spinnmaschine, sowie eine Horizontalfourniersäge auf. 1874 wurden schon 35 Arbeiter beschäftigt.

Gottlob Heyl, der allgemein geliebte und geehrte Gründer der Fabrik starb am 31. Oktober 1874 im 72. Lebensjahre. Seine Söhne, Emil und Gustav Heyl, trieben ihr Werk in seinem Geiste wie bisher rührig fort. 1877 schafften sie einen größeren Dampfkessel und dazu eine verticale Fourniersäge, eine Decoupiersäge, ingleichen eine Fräs- und eine Hobelmaschine an. 1879 hatten sie die Freude, das 5000ste Instrument zu vollenden und deshalb ihren Arbeitern ein ähnliches Fest, wie 1873, bereiten zu können. Gleichzeitig kauften sie das an ihr Wohnhaus im Brühl anstoßende Schlichter’sche Haus.

Ihr Geschäft hatte den erwünschtesten Fortgang; aus demselben gingen auch mehrere Flügel hervor. Die Pianinos wurden, oft in Dutzenden bestellt, selbst nach überseeischen Plätzen, besonders nach England und nach den englischen Colonien gesendet. 50 Arbeiter waren damals in der Fabrik thätig, und es mangelte wieder an Raum.


Ausschnitt der Postkarte zum 75. Betriebsjubiläum 1903;
Sammlung
Th. Bergner, Borna

Um diesen zu beschaffen, rissen die Gebrüder Heyl 1885 das alte Vaterhaus und einen Theil des Schlichter’schen Hauses nieder und errichteten das jetzige stattliche Gebäude samt Thurm.  Im Juli desselben Jahres feierte Emil Heyl sein Hochzeitsfest, mit welchem, ähnlich wie früher, Festlichkeiten wegen Vollendung des 7000sten Instrumentes verbunden wurden, an denen alle Fabrikarbeiter, sowie viele Freunde und Bekannte der Brüder Heyl frohen Antheil nahmen. Die Firma „Gottlob Heyl „ besteht bei der Fabrik noch fort." Zitatende. Stand 1886!

 

Quelle: Wolframsche Chronik /  (Wolfram Robert; Chronik der Stadt Borna mit Berücksichtigung der umliegenden Ortschaften, 1886)

(Anmerkungen: Dieses um 1886 errichtete Gebäude wurde nach ca. 100 Jahren leider wieder abgerissen. Die Firma selbst bestand bis Mitte der 1930er Jahre. Wie mir der Ortschronist Th. Bergner mitteilte, stellte bis vor wenigen Jahren die Firma „O. Lindholm“ noch Musikinstrumente her. Bis 1990 Spinette und Cembalo, danach fielen nur noch Reparaturen an. Der letzte Besitzer Tobias Weischet hat leider aufgegeben. Zu schade.

Wir danken den beiden Ortschronisten Frau A. Engelmann und Herrn Th. Bergner für die großartige Unterstützung bei der Suche nach Informationen.
Link zum Museum Borna .
Im Namen aller Nachfahren der Heyl'schen Familie

Lithographie Rossmarkt Str. in Borna. Im Hintergrund die Heyl'sche Pianoforte-Fabrik; 1902

Auch in der modernen Musikzeit sind diese Tasteninstrumente noch begehrte Objekte. Gute Qualitätsarbeit und natürlich eine gute Instrumentenpflege sind die Voraussetzungen für deren Erhalt dieser alten tonangebenden Schätze. 
Übrigens, eine gute Hausmusik ist nach wie vor Balsam für Ohren und Seele.

 

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(c) Ilona Jänicke  

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